Ein Near-Earth Asteroid wird zum Kometen: auf dieser Aufnahme, die wenige Tage nach der Entdeckung gemacht wurde sieht man schon einen kleinen Schweifansatz.
Wie und warum Asteroiden beobachten...
Was kommt uns oft näher als erwünscht ... Asteroiden ...
Hier ein Link zu solchen Asteroiden: Asteroid stürzt vor der Küste der Normandie auf die Erde
Oder Meteoriten (wenn sie dann auf die Erde gefallen sind). Es passiert gar nicht so selten, erst kürzlich hier in der Nähe meines Wohnorts Hamburg, in Elmshorn: oft noch zuvor als Feuerkugel beobachtet: Der Meteoritenfall von Elmshorn
Aber wir schauen erstmal nach den entfernteren Objekten: den Kleinplaneten, oder Asteroiden. Am besten fängt man mit der Beobachtung der sog. Main-Belt Asteroiden an (Hauptgürtel-Kleinplaneten, die sich zwischen den Umlaufbahnen des Mars und des Jupiters bewegen). Im Abstand von 2 bis 3,5 AE (Astronomischen Einheiten) von der Sonne finden sich u.a. seit langem bekannte Asteroiden, wie Ceres, Pallas, Juno, Vesta ... und viele, viele andere Kleinkörper; einige davon sind relativ hell und somit auch mit kleiner Ausrüstung einfach zu beobachten. Alles in allem sind hier inzwischen (Stand: 2023) über 1 Million Objekte bekannt und davon etwa 600.000 genauer vermessen (d.h. nummeriert).
Solche Beobachtungen sind das erste, um sich als anerkannte Station beim MPC (Minor Planet Center, eine Institution die im Auftrag der IAU = Internationale Astronomische Union) zu qualifizieren. Nach den ersten Erfahrungen kann man sich dann schwächere, schwierigere Objekte vornehmen. Hierbei sollten insbesondere die gefährlichen Asteroiden unsere Aufmerksamkeit verdienen ... (zumindest sind die Saurier nach dem Einschlag eines Asteroiden vor 60 Millionen Jahren von unserer Erde verschwunden).
Aufregende Asteroiden (NEO, NEA, PHA)
Asteroiden, die sehr aufregend sein können, sind die Near-Earth Objekte oder Near-Earth Asteroids (NEO oder NEA) und vor allem die als potentiell gefährlich eingestuften sog. PHA ("Potentially Hazardous Asteroids"), die auf ihrer Bahn der Erde nahe kommen und bei denen eine Kollision mit unserem Heimatplaneten eine bestimmte Wahrscheinlichkeit hat. Dass hier mit Wahrscheinlichkeiten gerechnet wird, liegt darin begründet, dass die Bahnen dieser NEAs noch nicht genau genug bestimmt sind. Diese Bahnen genauer zu bestimmen ist auch aus diesem Grunde sehr wichtig und dazu können auch die Beobachtungen der IAS betragen.
Bei der Entdeckung und Bahnbestimmung von Asteroiden und speziell der NEAs hat die Astronomie in den vergangenen 20 Jahren große Fortschritte gemacht. Der Astrometrie-Satellit GAIA hat mit seinen Messungen und dem daraus folgenden GAIA-Sternkatalog dazu beigetragen, dass astrometrische Positionen heute wesentlich genauer sind als noch vor zehn Jahren. Weiter haben große Beobachtungsprogramme (sog. Surveys) u.a. der NASA beigetragen. Viele Sternwarten und Teleskope sind nur zu diesem Zweck gebaut worden. Heute sind immerhin bereits knapp über 30.000 NEAs bekannt und es werden monatlich immer noch zahlreiche neue NEAs entdeckt.
GRAPHIK NEA Entdeckungen (NASA/JPL CNEOS)
https://cneos.jpl.nasa.gov/stats/totals.html
Auch hier gibt es große Unterschiede. Es gibt Objekte, die sich relativ langsam bewegen, wenn sie (vorübergehend) weit von der Erde entfernt sind. Gelegentlich kommen aber Objekte der Erde bis auf wenige Mondentfernungen nahe oder sogar noch näher und bewegen sich dann mit Geschwindigkeiten von einigen zig Bogensekunden pro Minute.
Hier ein Beispiel:
Gestackte (überlagerte) Aufnahmen, in denen sich der Asteroid mit hoher scheinbarer (und tatsächlicher Geschwindigkeit) an der unserer Erde vorbei bewegt. Dabei wird das Bildfeld der Kamera, das in etwa dem Durchmesser des Vollmonds entspricht, innerhalb von wenigen Minuten durchmessen.
BEISPIELBILD ASTEROIDENSPUR (172 Aufnahmen je 60 sec)
Beobachtung neu entdeckter Near-Earth-Objekte:
von der NEOCP zum M.P.E.C.
Was ist die NEOCP Seite des MPC?
Siehe LINK: the NEO Confirmation Page: https://www.minorplanetcenter.net/iau/NEO/toconfirm_tabular.html
Kurz nach der Entdeckung eines neuen NEO, wenn die Bahn des Asteroiden, wegen der geringen Zahl an Beobachtungen, nur sehr ungenau bekannt ist, stellt das MPC die ersten Beobachtungen auf der o.g. NEOCP-Webseite zur allgemeinen Verfügung. Das ist verbunden mit der Bitte an die internationale "NEO-Community" diese Objekte zeitnah aufzuspüren und deren Positionen an das MPC zu melden.
Hierzu müssen zeitnah (!) u.U. viele Aufnahmen an der vorausgesagten Position erfolgen. Hierbei helfen die ersten Bahnberechnungen von MPC und JPL/NASA und dann eine gute Beobachtungsplanung, vor allem bei schnellen Objekten. Wenn man Pech hat ist das Objekt nicht im FOV.
Bei der Analyse der Aufnahmen hilft gelegentlich auch das sogenannte „Synthetische Tracking“. Dazu wird ein möglichst schneller Computer mit leistungsfähiger Hardware benötigt. Etwa ein Computer, wie er auch für Computerspiele mit blitzschnell arbeitender GPU (Grafik Processing Unit) verwendet wird. Die Software, die dann zum Einsatz kommt ist bevorzugt „Tycho“. Mit deren Unterstützung wird in einer Aufnahmereihe von kurz belichteten Aufnahmen durch „Stacking“ (Übereinanderlegen und Verschieben) nach Objekten mit schneller Eigenbewegung im Bildfeld gesucht.
Wird man fündig, dann sieht das etwa so aus:
BEISPIELBILD (30 Aufnahmen mit jeweils 4.7 Sekunden)
Nachdem das so gefundene Objekt an mindestens 2 oder 3 Positionen vermessen ist, wird das Ergebnis mit den bisherigen Positionsbestimmungen verglichen. Und bei zufriedenstellender Übereinstimmung wird das Ergebnis an das Minor Planet Center (MPC) schnellstmöglich per Email gemeldet. Hat man nicht getrödelt und ist vielleicht sogar mitten in der Nacht aktiv geworden, wird man eventuell damit belohnt, dass man zeitnah in den folgenden Stunden einer Veröffentlichung des MPC, dem sogenannten M.P.E.C. ("Minor Planet Electronic Circular") namentlich als Beobachter aufgeführt wird.
Das bisher schwächste Objekt von der NEOCP-Liste, das mit dem IAS Remote Teleskop gemessen werden konnte, hatte eine Helligkeit von 21.0 mag und wurde mittels "synthetic tracking" im Tycho-Programm in einer Belichtungsreihe von 40 x 60 sec gefunden.
Seit März 2023 konnten bereits zahlreiche Ergebnisse für die Station M49 in nahezu 100 MPECs veröffentlicht werden:
Eine Übersicht findet sich hier: https://sbnmpc.astro.umd.edu/mpecwatch/byStation/station_M49.html
Die wie eine Statistik der ESA zeigt, war die Station M 49 (das ist die IAS Remote Sternwarte) im Juli 2023 sogar unter den weltweit TOP 20 Observatorien, die Near-Earth Objekte verfolgen.
NEO STATISTIK DER ESA
Hierbei können wir es durchaus mit Teleskopen, der 1 m Klasse und darüber aufnehmen. Das klingt zunächst vielleicht erstaunlich und ist vor allem dadurch gegeben, dass auf Hakos hervorragende Beobachtungsbedingungen herrschen, dass das Teleskop sehr gut automatisiert und über eine hochempfindliche CMOS Kamera verfügt; mangelnde Öffnung können wir durch längere Belichtungszeit ausgleichen.
Das kann auf die Dauer natürlich keine Person alleine leisten. Um diesen Erfolg fortzusetzen. würde es ein Team benötigen, denn jede Beobachtung inklusive Vorbereitung ist doch etwa ein bis 2 Stunden Arbeit und wenn ich nicht bereits im Ruhestand wäre, könnte ich mir das auch kaum erlauben.
Voraussetzung für eine erfolgreiche NEO-Beobachtung ist neben der Begeisterung für die Sache, natürlich eine gewisse Akribie im Umgang mit Messwerten, gepaart mit einer guten Portion sportlichem Ehrgeiz und natürlich die Kenntnisse der entsprechenden Software. Also beispielsweise für die Auswertung, vor allem der Tycho-Tracker, ein Programm, das inzwischen die bisherig häufig genutzte Astrometrie-Software Astronomica abgelöst hat und wesentlich leistungsfähiger ist, sowohl in Bezug auf die Schnelligkeit der Software als auch auf den Umfang. Alles in allem kein Hexenwerk... auch wenn es vielleicht manchmal danach aussieht ;-)
Es würde mich freuen, wenn mein Bericht auch bei anderen Mitgliedern das Interesse an NEO-Beobachtungen wecken würde.
Dr. Dieter Husar
(im Juli 2023)
F&A
F: Was ist ein NEO bzw. ein NEA?
A: Ein erdnahes Objekt (NEO) ist jeder kleine Körper des Sonnensystems, dessen Umlaufbahn ihn in die Nähe der Erde bringt. Konventionell ist ein Körper des Sonnensystems ein NEO, wenn seine größte Annäherung an die Sonne (Perihel) weniger als 1,3 Astronomische Einheiten (AE) beträgt. Wenn die Umlaufbahn eines NEO die Erdumlaufbahn kreuzt und das Objekt einen Durchmesser von mehr als 140 Metern hat, gilt es als potenziell gefährliches Objekt (PHO oder PHA). Die meisten bekannten PHOs und NEOs sind Asteroiden (NEA), aber ein kleiner Teil davon sind Kometen.
(Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Near-Earth_object)
F: Was ist ein PHA?
A: Objekte mit einer minimalen Erdumlaufbahn-Schnittentfernung (MOID) von 0,05 AE oder weniger und einer absoluten Helligkeit von 22,0 oder mehr (ein grober Indikator für den Durchmesser des Objekts) gelten als PHAs. Damit ist die Durchmessergrenze für ein PHA etwa 200 bis 600 Meter (je nach Albedo).
Zur Abschätzung des Durchmessers eines Asteroiden siehe: https://cneos.jpl.nasa.gov/tools/ast_size_est.html
F: Wie viele NEAs sind aktuell (Juli 2023) bekannt?
A: etwas mehr als 30.000
F: Wie viele PHA kennt man aktuell (Juli 2023)?
A: etwa 2.600
F: wie viele Neuentdeckungen gibt es ungefähr monatlich?
A: jeden Monat werden etwa 200 - 300 neue NEOs entdeckt.
F: was ist ein MPEC?
A: ein M.P.E.C. ("Minor Planet Electronic Circular") kurz MPEC, ist eine Veröffentlichung die im Namen der IAU (Internationale Astronomische Union) vom MPC (Minor Planet Center - link: https://www.minorplanetcenter.net/iau/mpc.html) veröffentlicht wird, sobald die Umlaufbahn für einen neuentdeckten Near-Earth Asteroiden zufriedenstellend bestimmt wurde.
Die MPECs werden im ADS (Astronomical Data System) der NASA gelistet (https://ui.adsabs.harvard.edu/).
F: warum wird zur Einsendung von Positionsbestimmungen ein IAU Station Code des MPC benötigt?
A: jede der (Stand im Juli: 2023: weltweit gibt es 2440) IAU Stationen (https://www.minorplanetcenter.net/iau/lists/ObsCodes.html) muss sich in einem genau festgelegten Ablauf durch Einsendung einer Anzahl von Positionsbestimmungen an mindestens 6 nummerierten Asteroiden und einem nummerierten NEO qualifizieren. Einsendungen sollten vorher immer von entsprechend geschulten Personen geprüft werden.
F: wann hat das IAS Remote Observatorium auf Hakos einen IAU Station Code vom MPC erhalten?
A: der IAU Code wurde vom MPC aufgrund der ersten Positionsbestimmungen von Asteroiden im März 2023 erteilt